Die größten Ernährungsmythen und wie sie uns beeinflussen

avgustina / July 14 2016

Fast jeder glaubt, über gewisse Nahrungsmittel oder deren Bestandteile einige unumstößliche Dinge zu wissen. Oft genug sind genau diese Meinungen aber bloß weitverbreitete Mythen

Erinnern Sie sich noch an ihre Kindestage? Vielen bläute die Mutter damals Sätze ein wie „Spinat darf man niemals aufwärmen, der wird dann giftig“. Und Gewohnheitsmenschen, die wir sind, hüten wir uns auch heute als Erwachsene davor, den Topf mit den Überresten des leckeren Rahmspinats in den Kühlschrank zu stellen, und übermorgen über eine Portion Spaghetti zu gießen – es könnte ja giftig sein.

Was aber, wenn eine ganze Anzahl dieser lukullischen Grundregeln, die wir im Lauf unseres Lebens aufschnappten und seither befolgen, bloß Mythen wären? Es fängt beim Spinat an aber auch andere Lebensmittel sind oft nicht die Gesundheitsbomben oder Giftcocktails, für die wir sie seit Kindestagen halten. Der folgende Artikel beweist es.

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Hmmm, so viel leckeres Gemüse. Wäre doch eine Schande, wenn man die ganzen Vitamine jetzt durch Kochen oder monatelanges Tieffrieren zerstören würde – oder?! Oft ist das, was wir über Ernährung glauben zu wissen, bloß ein Mythos, der sich nur so lange hält, weil wir ihn als kleine Kinder aufschnappten.

 

  1. Schokolade gegen Herzinfarkte

Schokolade: Voller Zucker, voller Fett und damit weder gut für die Zähne noch für die schlanke Linie, das war schon früher Allgemeinmeinung. Halt, eine Schokosorte war davon ausgenommen: Zartbitter, denn die stopft und wurde so oft als Hausmittelchen bei Durchfall verabreicht.

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Die traurige Schoko-Wahrheit: Nur dunkle Schokolade schützt wirklich vor Infarkten – jedoch nur dann, wenn man geringste Mengen pro Tag zu sich nimmt.

Dann kam 2010 die große Jubelarie für alle von schlechtem Gewissen geplagten Schokofreunde: Wer regelmäßig Schokolade isst, senkt die Risiken für Schlaganfälle und Herzinfarkte – und das sogar von Wissenschaftlern des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung veröffentlicht.  Die Realität sieht indes weniger schokoladig aus, denn:

  • Im Vergleich mit anderen Studien war die Wirkung geringer, weil Vollmilchschokolade verwendet wurde. Diese enthält weniger Kakao und somit weniger herzschützende Wirkstoffe
  • Die Rechnung geht nur bei maßvollem Konsum auf – in der Studie war es ein halber Riegel pro Tag
  • Wer mehr isst, steigert durch den Zucker- und Fettgehalt sein Herz-Kreislauf-Risiko wieder und negiert somit die Wirkung

Damit steht fest: Schokolade ist beides, Dickmacher und Herzschützer. Bei diesem Ernährungsmythos kommt es vor allem auf die Dosis an, welche Auswirkungen zum Tragen kommen. Und: Bitterschokolade ist tatsächlich die gesündere Wahl.

  1. Aufgewärmter Spinat ist giftig

 

Der arme Spinat, er ist im Vergleich mit anderem Gemüse überdurchschnittlich oft Ziel diverser Mythen. Der hohe Eisengehalt, der Comicheld Popeye zur lebenden Dampframme werden ließ, war wahrscheinlich nur ein falsch gesetztes Komma. Und das offensichtlich alle Film-Babys Spinat regelrecht hassen, weiß jeder. Da wundert es nicht, dass aufgewärmter Spinat auch giftig sein soll. Doch warum ausgerechnet er? Immerhin gibt es diese Volksweisheit kaum bei anderen Gemüsesorten.

Grundlage ist folgende, wie sie das Dienstleistungszentrum ländlicher Raum, eine Unterabteilung des Rheinland-Pfälzischen Landwirtschaftsministeriums erklärt:

In Spinat steckt zwar nicht überdurchschnittlich viel Eisen, dafür aber Nitrat. Das ist eigentlich ungiftig, kann aber durch nitratreduzierende Bakterien zu Nitrit umgewandelt werden, vor allem bei höheren Umgebungstemperaturen. Im Körper kann dieses Nitrit mit Hämoglobin (Bestandteil des Blutes) zu Methämoglobin reagieren. Und wenn sich das anreichert, kann es den Sauerstofftransport hemmen.

Allerdings: Nur Babys und Kleinkinder können überschüssiges Methämoglobin nicht abbauen, bei Jugendlichen und Erwachsenen geschieht das durch Enzyme. Das bedeutet: Auch aufgewärmter Spinat ist nicht giftig, der Mythos widerlegt. Jedoch sollte Spinat dennoch nach dem Kochen sofort vom Herd genommen und Überreste schnell gekühlt werden, um die Nitrit-Reaktion zu bremsen.

  1. Salz treibt den Blutdruck hoch

 

Wem früher beim Hausarzt Bluthochdruck diagnostiziert wurde, musste anschließend meist die Frage beantworten: „salzen Sie ihr Essen nach?“. Die damals (und auch heute noch teilweise) vorherrschende Lehrmeinung war die, dass:

  • Salz den Blutdruck und damit das Infarktrisiko erhöht
  • Schon zwei (je nach Quelle auch drei oder vier) Esslöffel pures Salz einen Erwachsenen töten
  • Salz wegen seiner wasserentziehenden Eigenschaften das Gehirn schädigt

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Denk an deinen Blutdruck“ Diese Warnung ist beim Griff zum Salzstreuer nur dann von Belang, wenn der Greifende ein salzsensitiver Mensch ist.

Der heutige Stand der Dinge ist jedoch  differenzierter: Die Blutdruck-Lehrmeinung wurde in den vergangenen Jahren immer mehr ad absurdum geführt. So stellten Wissenschaftler fest, dass nur bei salzsensitiven Blutdruckpatienten eine Verringerung der Salzaufnahme sich auf den Blutdruck auswirkte. Bei allen anderen Probanden fiel die Wirkung schwach aus. Womit der ursprüngliche Mythos dieses Abschnitts widerlegt wäre. Allerdings bedeutet das nicht, dass Salz keine anderen negativen Eigenschaften hätte. So zeigten Beobachtungen, dass langfristiges Nachsalzen das Magenkrebs-Risiko erhöht und zudem bei der Vermengung mit Fett zu mehr Nahrungsaufnahme führt.

Aber auch andersherum gibt es falsche Ansichten: Denn auch bei salzarmen Diäten kann es beispielsweise zu einem höheren Sterberisiko an Herzinsuffizienz, sowie zu Insulinresistenz und damit wiederum zu Problemen besonders für Typ-2-Diabetiker kommen.

Auch beim Salz gilt also: Die Dosis macht´s – allerdings nicht beim Blutdruck.


  1. Light-Produkte helfen beim Abnehmen

 

Als in den 1980ern die erste Cola Light in deutsche Läden kam, war die Faszination riesig: Colageschmack genießen und dabei keine Kalorien zu sich nehmen – Genuss ohne Reue. Das schlug genau in die Kerbe der damals grassierenden Aerobic- und Fitnesswelle. Mit der Zeit gesellten sich auch andere „leichte“ Produkte in die Supermarkt-Regale und heute gibt es kaum noch ein Lebensmittel, von dem keine Light-Variante existieren würde.

Tatsache ist allerdings, dass die Deutschen immer dicker werden – eigentlich müssten wir doch bei all den Light-Produkten ein Volk von Hungerhaken sein?! Der Unterschied zwischen Light-Versprechung und Realität hat viele Gründe:

  • Bei allen Produkten, die zuckerfrei und dennoch süß sein sollen, kommen Ersatzstoffe wie Aspartam oder Sorbitol zum Einsatz. Diese regen jedoch den Appetit an – wir essen mehr.
  • Bei fettarmen Produkten muss dieser Geschmacksträger unter anderem durch erhöhten Einsatz von Salz (siehe Mythos 3) sowie Stärke ausgeglichen werden – die Kalorien bleiben gleich, werden nur auf andere Inhaltsstoffe verlagert.
  • Light-Produkte sättigen durch die anderen Inhaltsstoffe oft schlechter. Im Extremfall wird dann so viel davon gegessen, dass die Kalorienzufuhr wesentlich gegenüber normalen Waren erhöht ist.

In der Summe bedeutet das: Light heißt alles andere, als das dessen alleiniger Konsum die Pfunde schmelzen lässt. Oft genug ist genau das Gegenteil der Fall.

  1. Kochen zerstört Nährstoffe

 

Irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg kam in westlichen Ländern die Ansicht auf, dass Kochen oder generelles Erhitzen geradezu ein Killer für sämtlichen gesunden Nährstoffe, insbesondere die von Gemüse wäre. Die Folge: Generationen von Kindern wurde die Lust an den Gartenfrüchten dadurch verleidet, dass diese nur wenige Momente im Kochwasser verblieben. Das reichte aus, um sie zu erhitzen, nicht aber, sie weicher zu machen. Und so wurden manche angesichts von holzigem Kohlrabi, zähen Möhren und stacheligem Brokkoli zu wahren Gemüsehassern – ohne dass es für ihre Gesundheit sonderlich hilfreich gewesen wäre.

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Ein richtig schön dicker Eintopf. Ginge es nach der Lehrmeinung, wären darin durch das lange Kochen kaum noch Vitamine vorhanden. In Wahrheit wurden einige erst durch die Hitze aktiviert oder verdaulich. Andere wurden ausgewaschen und schwimmen nun in der Brühe.

Fakt ist: Kochen kann durchaus manche Nährstoffe aus Gemüse auslaugen. Zu langes Erhitzen kann sie auch zerstören. Andere Inhalte werden jedoch erst durch Erhitzen überhaupt verdaubar: Die Stärke in rohen Kartoffeln beispielsweise könnte der Körper ohne Kochen gar nicht umwandeln. Und wo Vitamin-C hitzeempfindlich ist, wird das ebenso wichtige Vitamin-A erst durch Wärme aus den Pflanzenzellen herausgelöst.

Zudem ist Rohkost schwer verdaulich, wer viel davon isst, lagert gar unverdaute Nahrung in seinem Darm ab. Die Folge: Blähungen, Durchfall und andere Beschwerden. Außerdem: Wer Gemüse beispielsweise durch das Bad in einem Eintopf die Nährstoffe auswäscht, nimmt sie durch die Flüssigkeit der Suppe trotzdem auf.

Deshalb gilt: Kochen ist alles andere als ein Nährstoffzerstörer. Und wer von dem Mythos trotzdem nicht lassen kann, sollte Gekochtes und Rohkost abwechselnd konsumieren.

  1. Frisches Gemüse ist gesünder als tiefgefrorenes

 

Auch unser letzter Ernährungsmythos hat wieder etwas mit dem Inhalt von Gemüse zu tun: Als sich in den 1950ern und 60ern hierzulande immer mehr Tiefkühlwaren verbreiteten, schlich sich gleichsam auch eine äußerst hartnäckige Lehrmeinung ein: „Tiefgefrorenes Gemüse, das kann ja nicht gesund sein, die Kälte tötet doch alles ab“ sagten viele und griffen zum Frischgemüse im Regal – wer Tiefkühlwaren auf die Kasse legte, hatte immer ein schlechtes Gewissen dabei.

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Geht es um Supermarkt-Gemüse, findet sich in den Regalen nichts frischeres als Tiefgefrorenes. Denn es wurde praktisch sofort nach dem Ernten schockgefroren.

Dabei ist dieser Mythos sogar ausgesprochen falsch, denn was den gesunden Inhaltsstoffen von Gemüse am meisten zu schaffen macht, ist eine lange Lagerung: Ein Salatkopf, der seit drei Tagen im Supermarktregal vor sich hinwelkt, sieht nicht umsonst ziemlich traurig aus: Wärme, Licht, Luft und mangelnde Nährstoffversorgung sorgen dafür, dass die Gemüsezellen langsam absterben – und mit ihnen Vitamine und alles, was die Garten-Gaben erst gesund macht. Abgesehen davon, dass es schon einige Tage dauern kann, bis ein Salat oder Brokkoli überhaupt erst vom Feld im Geschäft landet.

Bei Tiefkühlgemüse sieht der Verarbeitungsprozess jedoch folgendermaßen aus:

  • Das Gemüse wird geerntet und sofort gewaschen
  • Anschließend wird es zerkleinert (etwa bei Rahmspinat) und direkt schockgefroren

Unter Umständen ist so eine Karotte, schon eine Stunde nachdem sie aus dem Boden gezogen wurde, bereits mit ihren Artgenossen ein auf -20°C gekühlter Eisblock und lagert fernab von Licht und Luft in einem Kühlraum. Und diese Kühlkette wird nicht mehr unterbrochen, bis der Kunde das Gemüse aus der Truhe des Supermarkts nimmt.

Dadurch bleibt dem Gemüse gar keine Zeit, zu verwelken, es wird im frischesten Zustand schockgefroren und somit alle wichtigen Stoffe erhalten, die bei „frischem“ Gemüse schon beim Transport zum Großmarkt zum Teil verloren gehen.

Damit gilt auch hier: Wer seinen Salat im eigenen Garten zieht und ihn kurz vor dem Abendessen erst pflückt und zubereitet, hat natürlich die Nase in Sachen Frische vorn. Bei allen anderen ist Tiefkühlgemüse jedoch meist die frischere Variante.

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